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Familie und Unternehmen – Ein und dasselbe oder doch ganz verschieden?

Während meiner Kindheit saß ich häufig mit meiner Familie am Abendessenstisch und hörte meinen Vater über seinen Tag in der Firma berichten. Er erzählte von den Aufgaben, Herausforderungen und schönen Momenten seines Tages im familieneigenen Unternehmen, und es war natürlich, dass ich als junges Kind dabei war. Regelmäßig verbrachte ich Zeit im Familienunternehmen um meinen Vater zu besuchen, und feierte den ein oder anderen Kindergeburtstag in den Räumlichkeiten der Firma. Das Unternehmen war immer Teil des Familienalltags – und ich mittendrin.

Ähnliche Erzählungen hörte ich im Laufe meines Lebens als Next Gen immer wieder. Das Unternehmen als Teil der Familie, die Familie als Teil des Unternehmens. Im Alltag, am Wochenende, im Urlaub. Es scheint Teil einer unternehmerischen Tätigkeit zu sein, dass die Firma in Gedanken immer dabei ist, denn oft ist sie Teil der Identität des Individuums, und häufig auch der Familie, die dahintersteht. Braucht es also eine Trennung von Familie und Unternehmen, wenn es doch auf diese Art zu funktionieren scheint?

Diese Frage kann wohl nur sehr vage beantwortet werden: Es kommt auf die Umstände an. Wann und weshalb ist eine Trennung von Familie und Unternehmen dann überhaupt wichtig?

Unternehmen und Familien, die diese besitzen und führen, wachsen und entwickeln sich über die Generationen. Während in der Gründungsgeneration in den meisten Fällen nur ein Familienstamm oder nur eine Person – der Gründer oder die Gründerin – im Unternehmen involviert ist, wächst der Kreis der Beteiligten über die Generationen. Die Gründungsgeneration bekommt Kinder, diese Kinder bekommen Kinder, und so setzt sich der Kreis jener, die potenziell Teil des Unternehmens sein können, exponentiell fort. Je nach Gesellschafter*innenstruktur können diese Kinder und Kindeskinder alle oder teilweise aktive Gesellschafter*innen des Familienunternehmens werden; sie könnten eine operative Rolle übernehmen, oder sich für eine stille Beteiligung entscheiden, sobald sie alt genug sind. Die Rollen, die die Familienmitglieder annehmen, werden diverser und komplexer, je mehr Generationen am Unternehmen beteiligt sind – in welcher Rolle das auch sein mag.

Die Forscher Renato Tagiuri und John Davis begannen im Jahr 1978 ein Modell einzuführen, das die Komplexität der Rollen in Familienunternehmen übersichtlich zu erfassen versucht. Heutzutage ist das Drei-Kreis-Modell aus der Forschung nicht mehr wegzudenken und hat sich durch die bildliche Darstellung der komplexen Strukturen zudem auch als praxisrelevant erwiesen.

Quelle: Tagiuri und Davis, 1982

Das Drei-Kreis-Modell identifiziert drei Hauptgruppen eines Familienunternehmens: Eigentum, Familie und Unternehmen. Jedes Individuum, das mit einem Familienunternehmen verbunden ist, kann Teil einer oder mehrerer Gruppen gleichzeitig sein, was zu sieben potenziellen Rollen führt, die ein Individuum einnehmen kann. Das Modell macht in bildlicher Weise deutlich, was in der Realität beobachtbar ist: Jede der Gruppen bringt unterschiedliche Dynamiken, Herausforderungen und Ziele mit sich, für die es unterschiedliche Lösungen geben kann.

Sehen wir uns beispielsweise für einen Moment die Situation eines jungen Nachfolgers eines Familienunternehmens an, der gerade sein Abitur gemacht hat. Er ist einerseits Familienmitglied als Sohn seiner Eltern, und seit seiner Volljährigkeit zudem Gesellschafter des Unternehmens. Würde er sich nun entscheiden, operativ ins Unternehmen einzusteigen, hätte er die Rolle in der Mitte des Drei-Kreis-Modells inne – die des familieninternen Mitarbeiters und Eigentümers. Jeder der Kreise bringt unterschiedliche Verantwortlichkeiten, Ziele und auch Kommunikationsmuster mit sich, die zu potenziellen Unstimmigkeiten führen können. Angenommen, der junge Nachfolger braucht Rat bezüglich der Zusammenarbeit mit seiner Schwester im Familienunternehmen und wendet sich an seine Mutter. Diese ist neben der Rolle als Familienmitglied auch Gesellschafterin des Unternehmens, aber nicht operativ darin tätig. Aus welcher Rolle heraus würde sie nun einen Rat geben? Als Mutter, die sich um ihre beiden Kinder sorgt und Konflikte verhindern möchte? Als Gesellschafterin, die sich reibungslose Zusammenarbeit und Vorankommen des Unternehmens wünscht? In dieser Situation wäre eine bewusste Trennung der Rollen wünschenswert: Wer agiert aus welcher Rolle heraus?

Je mehr Generationen am Unternehmen beteiligt sind, und je größer die Anzahl der operativ im Unternehmen tätigen Familienmitglieder, umso komplexer die Vielzahl der Rollen, die von unterschiedlichen Individuen eingenommen werden kann. Das Drei-Kreis-Modell ist ein guter Anhaltspunkt, um sich der Komplexität auf übersichtliche Art bewusst zu werden.

Nun stellt sich die ein oder andere Person vielleicht eine weitere Frage: Welche Mechanismen können, sofern notwendig, eine Trennung von Familie und Unternehmen möglich machen?

Dafür gibt es verschiedene Ansätze – gleichzeitig stellt dieser Artikel keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Lösungsmöglichkeiten. Aus eigener Erfahrung kann ich von einigen Mechanismen berichten, die sich als hilfreich erwiesen haben.

1. Klare Rollenaufteilung/-definition: Das Drei-Kreis-Modell kann hilfreich sein, sich als Beteiligte in den unterschiedlichen Rollen zu verorten und zu definieren, welche Verantwortlichkeiten, Ziele und Herausforderungen jede einzelne Rolle mit sich bringt. Das Modell bietet eine Grundlage für eine klare Verantwortungsaufteilung und ermöglicht die Erstellung einer „Aufgabenbeschreibung“ für jede Position innerhalb der drei Kreise.

2. Etablierung von Kommunikationswegen: Verschiedene Gremien können eingesetzt werden, um die Kommunikation innerhalb der Kreise zu vereinfachen und zu übernehmen. Beispielsweise kann die Etablierung eines Beirats im Familienunternehmen für eine klare Kommunikation zwischen den Gesellschafter*innen, der Geschäftsführung und der Familie sorgen. Dabei kann eine Rollenkonfusion verhindert werden, da der Beirat als eine Art Moderationsgremium dafür sorgen kann, die verschiedenen Ziele und Herausforderungen zu strukturieren und zu übersetzen. Eine andere Option ist das Einsetzen einer Familienversammlung, die allen Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem moderierten Rahmen mit den unternehmerischen Themen zu beschäftigen. In einem solchen Rahmen können auch Veränderungen, die im Unternehmen stattfinden, auf eine transparente Art und Weise an alle Beteiligten kommuniziert werden.

3. Erstellung einer Familienverfassung: In einer Familienverfassung können unternehmerische Familien zentrale Leitlinien und Werte definieren, die von allen Familienmitgliedern vertreten werden, unabhängig davon, ob sie am Unternehmen beteiligt oder operativ darin tätig sind, oder ob sie ausschließlich dem Kreis der Familie angehören. Zusätzlich können konkrete Erwartungshaltungen, Anforderungen und Verantwortlichkeiten definiert werden, die die Familie teilt und leben möchte. Auch klare Rollenbeschreibungen und -anforderungen können mithilfe einer Familienverfassung erarbeitet werden. Es handelt sich dabei um ein juristisch nicht bindendes Schriftstück, das jedoch gleichzeitig meist von allen an der unternehmerischen Familie beteiligten Individuen unterschrieben wird, womit es meist einen großen emotionalen Wert besitzt. Eine Familienverfassung zu erstellen ist häufig ein längerer Prozess, der durch Beraterinnen und Berater kompetent begleitet werden kann.

In einigen Fällen kann es also durchaus wichtig sein, Familie und Unternehmen zu trennen, um potentielle Herausforderungen von Individuen, die sich in mehreren Systemen zugleich befinden, eine klare Verantwortungsübernahme und Rollenerfüllung zu ermöglichen. Familienunternehmen sind hochkomplexe Systeme, wie das Drei-Kreis-Modell deutlich macht, und für jedes System gilt es, für sich selbst zu definieren, was es bedeutet, eine unternehmerische Familie zu sein. Ist ein klares Rollenverständnis innerhalb des Systems also wichtig? – Ganz klar: Ja. Ist eine Trennung von Familie und Unternehmen richtig? – Es kommt drauf an.

Geschrieben von Julia Mecheels, Content bei Haus Next

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